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Marfan Hilfe (Deutschland) e.V.

Unter der Einnahme von so genannten oralen Kontrazeptiva - der Pille - ist seit vielen Jahren bekannt, dass es zu einer Erhöhung des Risikos für die Entstehung von Blutgerinnseln bei den Frauen kommt. Je nach Untersuchung geht man von einer Verdoppelung bis zu einer Vervierfachung des natürlichen Risikos aus. Diese Risikosteigerung ist normalerweise unbedeutend, da das normale Risiko bei einer jungen Patientin ein Blutgerinnsel, eine Thrombose oder eine Embolie zu entwickeln, bei ungefähr 1:10 000 Frauen/Jahr liegt, d.h. eine Verdoppelung oder Verdreifachung würde dazu führen, dass nicht nur eine sondern drei Frauen betroffen sind, sprich nach wie vor 9997 Frauen keine Probleme haben werden. In Anbetracht der Probleme, die durch eine ungewollte Schwangerschaft eintreten würden, erscheint dieses Risiko vertretbar.

Anders sieht es aus, wenn eine Frau von vornherein aufgrund z.B. einer Herzklappenveränderung oder eines Herzklappenersatzes ein deutlich erhöhtes Risiko hat. Hier wäre eine Verdoppelung oder Verdreifachung durch die Einnahme einer Pille sicherlich nicht mehr zu vertreten. Typischerweise versucht man bei diesen Frauen durch die Einnahme des Medikamentes Marcumar® das Risiko für das Entstehen eines Gerinnsels wieder in den natürlichen Bereich zurückzudrängen. Nun weiß man, dass durch das Marcumar® die Bildung der Gerinnungsfaktoren in der Leber gebremst wird. Die Pille hat ihre gerinnungsfördernde Wirkung deswegen, weil sie eben diese Produktion in der Leber eher stimuliert. Man geht davon aus, dass bei einer Hemmung der Produktion unter Marcumar® eine Pille nicht mehr in der Lage ist, zu einer wesentlichen Steigerung der Produktion von Gerinnungsfaktoren in der Leber zu führen. Wenn unter der Pille und gleichzeitiger Marcumar-Einnahme die Gerinnungskontrollen nach wie vor eine gute Wirkung des Marcumars zeigen, spricht nach wissenschaftlichen Überlegungen nichts dagegen, beide Medikamente zusammen einzusetzen. Voraussetzung ist eben, dass sorgfältig überprüft wird, dass die bisherige Einstellung der Marcumar® -Wirkung erhalten bleibt.

Die meisten Pillen sind so genannte Kombinationspillen, die ein Östrogen und ein Gestagen enthalten. Man nimmt an, dass für die gerinnungsfördernde Wirkung der Pille im wesentlichen das in der Pille enthaltende Östrogen verantwortlich ist. Von daher erscheint es überlegenswert und sinnvoll, auf eine Pille umzusteigen, die eben kein Östrogen mehr enthält, sondern nur ein reines Gestagen. Bisher gibt es keine Daten, die eine Thrombosegefährdung von Frauen unter der Einnahme von einer reinen Gestagenpille oder eines reinen Gestagenpräparates beweisen würden. Umgekehrt muss man aber auch einräumen, dass es keine sicheren Daten gibt, die eine solche Gefährdung absolut ausschließen würden. Aus wissenschaftlichen Überlegungen heraus ist es aber plausibel anzunehmen, dass die Gefährdung vermutlich geringer sein wird, als unter einer normalen Pille. Von daher empfehlen wir bei Patientinnen, die Marcumar® wegen einer Blutungsgerinnselgefährdung (Thrombose, Embolie) einnehmen müssen, in erster Linie die Einstellung mit einer reinen Gestagenpille, z.B. Desogestrel 0,75 mg (Cerazette als Handelsname).
Die von Ihnen angesprochene Alternative "Implanon" hat den Vorteil, dass der Wirkstoff von dem Stäbchen, das unter die Haut eingesetzt wird, direkt in die Blutbahn gelangt und nicht über die Leber primär nach der Aufnahme durch den Darm anflutet. Von daher ist bei diesem Stäbchen die Wahrscheinlichkeit für eine Veränderung der Gerinnungssituation noch unwahrscheinlicher. Nachteil des Stäbchens ist, dass das Einsetzen unter die Haut mit einer Blutungsgefahr einhergeht, was bei einer Frau, die Marcumar® einnimmt, sicherlich zu berücksichtigen wäre, man müsste daher eine entsprechende Marcumar-Pause für das Einlegen machen. Zusätzlich wäre sicherlich für das Einlegen auch eine Endokarditisprophylaxe sinnvoll.

Wenn man diese Einwände und Probleme berücksichtigt, stellt aber auch dieses Stäbchen eine sinnvolle Option zur Empfängnisverhütung in einer derartigen Situation dar. Der einzige Nachteil wäre, dass mit der reinen Gestagenpille auch eine Unterbrechung des Einsprunges erfolgt und damit die Gefahr von erheblichen Blutungen beim Eisprung ebenfalls niedriger ist. Das Stäbchen hat eine sehr hohe empfängnisverhütende Wirkung, die aber nach einer gewissen Zeit nicht mehr mit einer sicheren Unterdrückung des Eisprunges einhergeht, sondern wegen der Wirkung auf die Gebärmutterschleimhaut zu verzeichnen ist.

Sie sollten diese Überlegungen noch einmal mit Ihrem Frauenarzt besprechen und können sich dann sicher für einer der beiden Methoden entscheiden.

/ Prof. Dr. Ulrich Karck, Klinikum Stuttgart, Städtische Frauenklinik

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