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Marfan Hilfe (Deutschland) e.V.

Sport ist wichtig für Menschen mit dem Marfan-Syndrom. Er bringt ein Gefühl von physischem und psychischem Wohlbefinden, verbessert die Ausdauer, senkt den Blutdruck, reduziert das Gewicht, reguliert Stoffwechsel- und Magen-Darm -Funktionen, erhöht die Dichte der Knochen und die physische Stärke und führt oft auch zu einem vorteilhaften Wechsel in den Lebensgewohnheiten wie zum Beispiel dazu, das Rauchen aufzugeben, den Alkoholkonsum einzuschränken und die Ernährung zu verbessern. Menschen mit dem Marfan-Syndrom und deren Familien genauso wie Sportlehrer und Krankengymnasten, die mit der Aufsicht über die sportlichen Aktivitäten von Menschen mit dem Marfan-Syndrom betraut sind, sollten jedoch über die folgenden Punkte Bescheid wissen:

  • Veränderungen im Bindegewebe, hervorgerufen durch das Marfan-Syndrom
  • Unterschiedliche Formen von Sportübungen und deren Auswirkungen auf das Marfan-Syndrom
  • Grundlegende Richtlinien für Sportübungen, die es Menschen mit dem Marfan-Syndrom ermöglichen, sicher an diesen Übungen teilzunehmen

Welche Veränderungen ruft das Marfan-Syndrom im Bindegewebe hervor?

Das Marfan-Syndrom ist ein genetischer Defekt, der auf das Bindegewebe wirkt. Bindegewebe gibt es mit ganz unterschiedlichen Aufgaben im gesamten Körper. Es dient als Leim und Gerüst für alle Zellen, gibt dem Organismus Struktur und Gestalt, bildet Muskeln, Blutgefäße und letztendlich den gesamten Körper.

Einer der vielen Bestandteile des Bindegewebes ist ein Protein namens Fibrillin. Beim Marfan-Syndrom verursacht dies Fibrillin eine Vielzahl von Problemen. Als Ergebnis davon ist die Struktur des Körpers, die vom Bindegewebe gebildet wird, schwächer als gewöhnlich.

Auf Grund dieser dem Körper innewohnenden Schwäche müssen Sportübungen individuell angepasst werden.

Natürlich ist die Bindegewebsschwäche bei verschiedenen Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Unterschiede gibt es besonders in der Wandstärke der Aorta, bei den Bändern, den Gelenken und den Augen. Daher müssen alle Empfehlungen bis zu einem gewissen Grad verändert und auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnitten werden.

Wie werden Sportübungen unterschieden?

Sportübungen werden durch eine Reihe von Charakteristika unterschieden. Aerobe Aktivitäten sind nur von so einer Intensität, daß dem Körper immer genug Sauerstoff für die Erzeugung von Energie zur Verfügung steht. Der Sauerstoffbedarf der Muskeln und die Fähigkeit des Körpers, die Muskeln mit Sauerstoff zu versorgen, ist ausgeglichen. Wenn Sie während einer Sportübung noch eine Unterhaltung führen können, bewegen Sie sich auf einem aeroben Level.
Bei anaeroben Aktivitäten herrscht ein Mangel an Sauerstoff und die Zellen müssen auf interne Reserven, die sich sehr schnell erschöpfen, zurückgreifen.Anaerobe Aktivitäten sind in der Regel intensiver und daher sehr anstrengend für das Gewebe und das Herz-Kreislauf-System.

Wenn ein Muskel sich als Folge einer vollen Bewegung zusammenzieht wie zum Beispiel ein Armmuskel beim Werfen eines Balles oder ein Beinmuskel beim Rennen, spricht man von Isokinetik. Kontrahiert der Muskel, ohne einen vollen Bewegungszyklus durchlaufen zu haben, wie beim Gewichtheben, spricht man von Isometrik.
Bei isometrischen Übungen steigt der Blutdruck, der Herz und Aorta besonders belastet, stärker an.
Die meisten Sportübungen und athletischen Betätigungen sind Kombinationen von isokinetischer und isometrischer Muskelarbeit und aerober und anaerober Energieerzeugung. Das Verhältnis von Arbeit und Energie oder von Energieverbrauch und Energieerzeugung ist abhängig von der Art der Aktivität, von der Intensität, mit der man die Aktivität betreibt und, bei Mannschaftssportarten, auch von der Position, auf der man spielt.

Sportarten werden klassifiziert nach dem Risiko von Kollisionen (Kontakten) und wie stark diese Kollisionen sind.Es ist wichtig zu verstehen, dass viele Sportarten in verschiedene Kategorien passen können, je nachdem, wie intensiv Sie den Sport betreiben. Es ist daher unbedingt erforderlich, dass Sie mit Ihrem Arzt über Sportarten reden, die für Sie sicher sind und dass Sie darüber reden, wie Sie selbst kontrollieren können, wo Ihre Belastungsgrenzen liegen, damit Sie Ihren Sport sicher ausüben können.

Direkte Kontakte, hohes Kollisionsrisiko, belastend:

  • American Football
  • Basketball
  • Boxen
  • Eishockey
  • Feldhockey Fußball
  • Kontakt Kampfsport
  • Ringen und Catchen
  • Rodeoreiten
  • Wasserski

Begrenzte Kontakte, belastend

  • Abfahrtskilaufen
  • Baseball
  • Turnen
  • Radfahren (intensiv)
  • Eis- und Rollschuhlauf Reiten
  • Sqash
  • Softball
  • Volleyball

Keine Kontakte, belastend

  • Aerobic (intensiv)
  • Gewichtheben Laufen (schnell)

Keine Kontakte, mäßig belastend

  • Aerobic (langsam)
  • Radfahren (gemäßigt)
  • Tischtennis
  • Schwimmen (gemäßigt) Badminton
  • Jogging
  • Tennis

Keine Kontakte, nicht belastend

  • Golf
  • Schießen
  • Schach Bowling
  • Spazieren gehen
  • Wandern

Tabelle modifiziert nach der Klassifikation durch die American Academy of Pediatrics.

Menschen mit dem Marfan-Syndrom sollten wegen des Verletzungsrisikos der Aorta und der Augen Kontaktsportarten immer vermeiden. Anstrengende Aktivitäten sollten wegen der Belastung der Aorta ebenfalls vermieden werden.

Jede Aktivität kann in Abstufungen betrieben werden und keine Empfehlung ist für alle Fälle gültig. Zum Beispiel ist es ein Unterschied, ob Sie auf dem Sportplatz ein paar Basketballkörbe werfen oder ein komplettes Spiel bestreiten und 10 km Radfahren in einer Stunde auf ebener Strecke unterscheidet sich vom Radfahren in einem Triathlon-Wettbewerb.

Um auch die Sicherheit von wenig belastenden, kontaktlosen Sportarten zu erhöhen ist es wichtig, unbedingt notwendige Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Zum Beispiel soll man keinen schweren Golfsack voller Schläger tragen und intensive Wettkämpfe meiden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es für jeden Menschen mit dem Marfan-Syndrom wichtig ist, über Sport zu reden und die eigenen Leistungsgrenzen genau zu definieren, so dass Sportübungen im Rahmen der normalen Gesundheitsvorsorge sicher durchgeführt werden können.

Was ist, wenn eine Person Medikamente einnimmt?

Bevor man mit einem Trainingsprogramm beginnt oder dessen Intensität steigert, ist es wichtig, die eigene körperliche Leistungsfähigkeit, den Gesundheitszustand und die Art der Medikation festzustellen. Die hier gegebenen Hinweise sind nur genereller Natur und ersetzen nicht die Empfehlungen Ihres persönlichen Therapeuten.

Viele Menschen mit dem Marfan-Syndrom nehmen einen Beta-Blocker um die Belastung der Aorta zu verringern. Solch ein Medikament senkt den Puls sowohl in Ruhe als auch bei Belastung und macht es manchmal schwieriger, ein vorgegebenes Übungsziel zu erreichen, was dann auf eine größere Anstrengung hinausläuft. Beta-Blocker gestatten es, Kraft und Ausdauer zu verbessern und gleichzeitig die Aorta zu schützen. Sie erlauben jedoch in keinem Fall sehr anstrengende Übungen oder das Ausüben von Kontaktsportarten.

Menschen mit künstlichen Herzklappen nehmen gewöhnlich ein gerinnungshemmendes Mittel. Diese Medikamente erhöhen das Risiko, sich einen Bluterguss oder eine innere Blutung zuzuziehen. Menschen, die gerinnungshemmende Mittel nehmen, sollten Kontaktsportarten vermeiden sowie jede Aktivität, die auch nur ein geringes Risiko birgt, einen Schlag auf den Kopf oder den Körper zu bekommen. Beim Radfahren sollte immer ein hochwertiger Helm getragen werden.

Einige Richtlinien und Einschränkungen

Folgende Einschränkungen sollten Menschen mit dem Marfan-Syndrom beachten:

Bevorzugen Sie kontaktlose, isokinetische Übungen auf einem nicht anstrengenden, aeroben Level. Besonders geeignet sind Sportarten, bei denen man selbst entscheiden kann, wann man ausruhen muss, weil man sich müde fühlt und bei denen selten schnelle Stopps, plötzliche Richtungswechsel oder Zusammenstöße mit anderen Spielern und Gegenständen oder Stürze vorkommen. Einige günstige Aktivitäten sind Wandern, Spazierengehen, gemütliches Radfahren, leichtes Jogging, (Basketball)Körbe werfen, langsames Tennis und der Gebrauch von sehr leichten Hanteln.

  • Wählen Sie Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen und die Sie drei- oder viermal pro Woche 20 bis 30 Minuten lang ausüben können. Wenn Zeit Ihr Hauptproblem ist, bedenken Sie, dass drei 10 Minutenblöcke nahezu genauso viel bringen wie ein 30 Minuten Block.
  • Bleiben Sie immer in einem aeroben Level (ungefähr 50% Ihrer maximalen Leistungsfähigkeit). Wenn Sie einen Beta-Blocker oder Verapamil nehmen, halten Sie Ihren Puls immer unter 100 Schläge pro Minute. Ohne diese Medikamente sollten Sie unter 110 Schläge pro Minute bleiben. Ein Tipp: Es ist oft leichter, den Puls am Hals zu fühlen als am Handgelenk.
  • Nehmen Sie sich Zeit und wählen Sie Ihre Aktivitäten gut aus. Fragen Sie bei täglichen Arbeiten nach Hilfe. Beim Tragen von Gegenständen gehen Sie lieber mehrmals als sich ein zu großes Gewicht aufzuladen. Beim Aufheben von Gegenständen benutzen Sie wie ein Gewichtheber Ihre Beine statt Ihres Rückens, atmen Sie beim Anheben aus und halten Sie sich mit großen Anstrengungen zurück.
  • Vermeiden Sie Aktivitäten, die isometrische Arbeit erfordern, wie Gewichtheben, steile Treppen steigen und Klimmzüge. Wenn Sie einen Heimtrainer oder einen Stepper benutzen, bleiben Sie auf der leichtesten Stufe. Viele Wiederholungen mit geringem Widerstand sind besser als wenige mit großem Kraftaufwand.
  • Gehen Sie nicht bis an Ihre Grenzen. Dies ist besonders schwierig für Kinder beim Schulsport (Bundesjugendspiele) oder für Menschen, die vom Konkurrenzdenken geprägt sind oder früher waren (Leistungsdruck vermeiden). Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind mit dem Marfan-Syndrom den richtigen Sportunterricht erhält.
  • Vermeiden Sie Aktivitäten, die das Risiko von schnellen Wechseln im atmosphärischen Druck mit sich bringen, wie Sporttauchen und fliegen in Flugzeugen ohne Druckausgleich. Menschen mit Marfan-Syndrom neigen zum Pneumothorax (Lungenkollaps).

Training ist für Menschen mit dem Marfan-Syndrom sowohl für das körperliche als auch für das seelische Wohlbefinden wichtig. Die durchschnittliche Lebenserwartung für Personen mit dem genetischen Defekt liegt heute bei fast 70 Jahren. Regelmäßiges, gemäßigtes Training ist wichtig für die allgemeine Gesunderhaltung. Die meisten Menschen mit dem Marfan-Syndrom sollten regelmäßig wenig anstrengende, wenig intensive Übungen zur Stärkung des Rückens, des Herz-Kreislauf-Systems und der Gelenke und des Knochenbaus durchführen. Sie sollten in jedem Fall Ihren Arzt konsultieren, bevor Sie mit den Übungen beginnen oder bevor Sie ein Programm absolvieren, das zu anstrengend für Sie ist.

Übersetzung für die MarfanHilfe (Deutschland) e.V. mit freundlicher Genehmigung der N M F National Marfan Foundation, Port Washington, NY 11050.

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