Kann eine schmerzhafte Makrohämaturie (kolikartige Schmerzen) unter Marcumartherapie etwas mit dem Marfan-Syndrom zu tun haben?
- Details
Unter Marcumar® ist die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabgesetzt. Blutungen stellen die häufigste Komplikation dieser Therapie dar, wobei Magen- oder Darmblutungen und Blutungen aus den ableitenden Harnwegen am häufigsten beobachtet werden. Solange der INR nicht über 4 steigt ist das Blutungsrisiko jedoch gering. Treten dennoch Blutungen auf, sollte gegebenenfalls durch eine Spiegelung des entsprechenden Hohlorgans ausgeschlossen werden, dass eine Blutungsquelle mit Wiederholungsrisiko vorliegt.
Prinzipiell kann eine erhöhte Blutungsneigung entstehen durch Erkrankungen der Blutgefäße, der Blutplättchen (Thrombozyten) oder der Gerinnungsfaktoren. Beim Marfan-Syndrom besteht durch die Brüchigkeit der Aorta ein Gefäßproblem mit Gefahr der Blutung. Ob auch kleinere Gefäße zum Beispiel in den ableitenden Harnwegen brüchiger sind, als bei Patienten ohne Marfan-Syndrom, ist bislang nicht ausreichend untersucht. Allerdings wird eine erhöhte Blutungsneigung der Gebärmutter nach Entbindungen beobachtet. Einzelfallberichten zur Folge beruht diese auf veränderten Blutgefäßen der Gebärmutter. Zudem berichten einzelne Autoren über eine erhöhte Brüchigkeit der Kapillargefässe bei Menschen mit angeborenen Bindegewebserkrankungen.
Die Funktion der Thrombozyten ist beim Marfan-Syndrom kaum systematisch untersucht. Allerdings wurde gezeigt, dass die Thrombozyten bei Marfan-Patienten deutlich größer sind, als bei Menschen ohne Marfan-Syndrom. Es ist allerdings nicht bekannt, ob die Übergröße der Thrombozyten Einfluss auf ihre Funktion hat.
Eine Beteiligung des Gerinnungssystems beim Marfan-Syndrom ist nicht dokumentiert, aber durchaus denkbar. So gibt es Einzelfallberichte über ein gemeinsames Auftreten von Hämophilie (sogenannter Bluterkrankheit, bei der Faktor VIII oder IX der Gerinnungsfaktoren erkrankt ist) und Marfan-Syndrom. Auch ist das Zusammenwirken der Gerinnungsfaktoren mit verschiedenen Bindegewebskomponenten sehr komplex, und eine Rolle des Fibrillins bei der Regulation der Gerinnungskaskade ist denkbar.
Eine weitere Frage ist, ob beim Marfan-Syndrom eine – wie auch immer geartete – veränderte Reaktion auf gerinnungshemmende Medikamente vorliegt. Beschrieben sind zum Beispiel Fälle von Marfan-Patienten mit einer Resistenz gegen die gerinnungshemmende Wirkung des Heparins.
Wir überblicken in Hamburg die medizinischen Verläufe von über 500 Patienten, die sich mit Verdacht auf das Vorliegen eines Marfan-Syndroms in unserer Sprechstunde vorstellten. Aus dieser Erfahrung ergibt sich bislang (abgesehen von Problemen der Aorta) kein Hinweis auf eine klinisch relevante Blutungsneigung bei Marfan-Patienten.
/PD Dr. Y. von Kodolitsch, UHZ Hamburg, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin